Kradventure in Frank(ys)Reich

Da war diese verlockende Lücke von neun Tagen im beruflichen Terminkalender, und da war das Versprechen an Frank, ihn in diesem Sommer in den Cevennen – wo die Liebe ihn hin verschlagen hat – zu besuchen. So nahm der Plan einer Motorradtour und einer groben Route schnell Gestalt an: Auf direktem Weg in die Cevennen, und über Alpen, Jura und Vogesen zurück. Sohnemann war als Mitfahrer schnell gewonnen, und die Vorfreude stieg mit jedem Tag, den die Abfahrt näher rückte. Nur die Wetterprognose wollte nicht so richtig mitspielen. Wir hielten trotzdem an unserem Plan fest, ohne Nutzung der Autobahn an unser Ziel zu gelangen. Bei Abfahrt um 8:00 Uhr war es dann auch tatsächlich trocken, aber nur die ersten 70 km, dann war ein erster ungeplanter Stop angezeigt, damit Filius sich in die Regenkombi zwängen konnte. Ich vertraute auf meine hydrophobierte Rinderhaut mit dem bedeutungsvollen Namen „Atlantis“ – und wurde wieder einmal nicht enttäuscht. Im Westerwald wehte zusätzlich zum Regen der Wind so kalt, im Rheintal war es dann trocken und mild, und während wir in St. Goarshausen auf die Fähre warteten, blinzelte sogar kurz etwas blau durch die graue Wolkendecke. Auf den ersten Kilometern durch Weinberge auf der anderen Rheinseite waren dann sogar die Straßen trocken, was mich dazu verleitete, an meinem bajuwarischen High-Tech-Krad vom „Rain“- in den „Road“-Modus zu wechseln. Der misslaunige Wettergott bestrafte diesen Übermut aber sofort mit einem kräftigen Schauer. Dieser Wechsel aus kurzen trockenen und eher langen nassen Phasen begleitete uns dann den gesamten weiteren Tag, vom Hunsrück bis in die Region Haute Marne in Frankreich. Bei einer späten Kaffeepause buchten wir eine Unterkunft in Villiers sur Suize, südlich von Chaumont. Noch 78 km zeigte das Navi, unglaublich, wie sich eine solch eher kurze Strecke nach einem langen Fahrtag im Regen ziehen kann. 650 km waren es dann insgesamt, als wir gegen 20:20 vor der L’Auberge de la Fontaine den Motor abstellten. Eine schnelle heiße Dusche, dann ins gemütliche Restaurant, wo ich ohne große Erwartungen zwei große Bier bestellte. Frankreich war mir bisher nicht gerade als Mekka für Biertrinker in Erinnerung, aber das Choue-Bier aus einer kleinen lokalen Brauerei, das uns die Bedienung servierte, schmeckte unerwartet gut.

Start am nächsten Morgen dann bei Regen, was den Schnitt auf den Départementstraßen mit zumeist dreistelliger Nummer, die kurviger.de für uns ausgewählt hatte, erneut auf um die 40km/h senkte.

Erst am Nachmittag im Département Loire wurde es trocken, dann bekam die Wolkendecke immer größere Lücken und in Renaison genossen wir einen kleinen Imbiss in der Sonne sitzend.

Unsere Route führte weiter auf kleinen kurvigen Sträßchen durch die Auvergne, und irgendwann bei einer Tankpause südlich von Clermont-Ferrand beschlossen wir mit Blick auf die Uhr einerseits und die Restwegstrecke bis zum Ziel andererseits, nun doch ca. 100 km Autobahn auf der (immerhin mautfreien) A75 zurückzulegen. Diese verließen wir bei Banassac und genossen die letzten 40 von insgesamt 600 km des Tages, die uns über die Causse de Sauveterre, hinunter nach Les Vignes und schließlich entlang des Tarn nach Le Rozier führten. Franziska und Frank, die dort den wunderschönen kleinen Campingplatz „Campig les Peupliers“ betreiben, erwarteten uns schon mit einer Kasseler Bierspezialität und einer leckeren Quiche.

Auf eine geruhsame Nacht im Mietwohnwagen folgte ein sehr ausgiebiges Frühstück am nächsten Morgen. Dabei beschlossen wir, die Motorräder erst einmal stehen zu lassen und einen kleinen Spaziergang zu unternehmen (mein Sohn bevorzugte im Nachhinein die Bezeichnung „Bergwanderung“): Hoch über Le Rozier thront der Capluc, dessen Gipfel man nach einem teilweise steilen Weg über Felsstufen und zuletzt schließlich Stahlleitern erklimmen kann. Für die Mühe wird man mit einem atemberaubenden Ausblick, u.a. auf Le Rozier und Peyreleau belohnt.

Frank hatte vorsorglich ein paar Dosen Gipfelbier in den Rucksack gepackt, womit die Frage, ob wir am Nachmittag noch Motorrad fahren wollten, beantwortet war. Stattdessen übten wir uns nach dem Abstieg einfach im savoir-vivre, saßen bei dem ein oder anderen weiteren Bier neben der Rezeption des Campingplatzes und kamen mit einigen der Neuankömmlinge ins Gespräch. Dabei verflog die Zeit bis zum Abendessen, für das Franziska eine leckere, im offenen Holzfeuer gegarte Tajine zauberte, wie im Flug. Das fühlte sich jetzt schon richtig nach Urlaub an!

Am nächsten Tag zog es uns dann natürlich doch wieder auf die Kräder, wobei das Navi aber Pause hatte: Wir konnten uns ganz der Führung von Frank anvertrauen, der uns an diesem Tag u.a. durch die Gorges de la Dourbie und zum Mont Aigoual führte.

Auf dem mit 1565 Metern höchstem Berg des Département Gard war es mit 8 Grad aber saukalt, dazu windig, so dass wir die Aussicht nur kurz genossen und weiter fuhren Richtung Gorges de la Jonte.

Dort wartet für Bierliebhaber eine weitere Überraschung: die Brasseurs de la Jonte brauen in Gatuzières ausgewählte Biere, die man – wenn man nicht gerade mit dem Motorrad unterwegs ist – auf einer kleinen Terrasse direkt an der Jonte verkosten kann. Aber auch der „cave de dégustation“ mit einer Ausstellung der Produktpalette ist sehenswert.

Zurück auf dem Campingplatz stand an diesem Abend Grillen auf dem Programm. Gut, dass die Atlantis-Kombi eher bequem geschnitten ist…

Auch am darauffolgenden Sonntag genossen wir die Führung durch unseren Guide: Zunächst durch die Tarnschlucht bis nach Saint-Chély-du-Tarn – die Brücke und der Wasserfall sind berühmt und sehenswert.

Anschließend ging es über Montbrun auf die Causse Méjan, und bei der Abfahrt nach La Malène sahen wir die ersten Geier. Ob es sich um die hier recht häufigen Schmutzgeier, oder doch um die selteneren Mönchs- oder Gänsegeier gehandelt hat, vermag ich allerdings nicht zu sagen.

Von La Malène aus erklommen wir dann die Causse du Sauveterre, machten Pause am Point Sublime. Durch das kühle Wetter fehlte es leider etwas an Thermik, so dass wir an dieser Stelle keine weiteren Geier zu sehen bekamen. Die Aussicht ist trotzdem phänomenal!

Den weiteren Streckenverlauf kann ich nicht mehr so recht nachvollziehen: Bei den vielen Auf- und Abfahrten zwischen Tarnschlucht und Hochebenen auf z.T. engsten Sträßchen habe ich irgendwann den Überblick verloren – da müsste ich erst einmal die Aufzeichnung des Navis konsultieren. Woran ich mich dagegen gut erinnern kann: Den letzten Abend mit Franziska und Frank verbrachten wir im Restaurant „Capluc Kfé“. Dabei ließen wir uns eine Forelle schmecken, die den Weg vom unmittelbar benachbarten Zuchtbecken an der Jonte auf den Teller auch im Sprung hätte zurücklegen können, dazu ein Bier von den Brasseurs de la Jonte, in diesem Fall ein Tantaravel, dessen Geschmack nur schwer zu beschreiben ist: Zunächst regelrecht fruchtig, dann aber mit einer deutlich herben Hopfen-Note im Abgang – sehr speziell!

Kaum zu glauben, aber am nächsten Tag hieß es leider schon Abschied nehmen von unseren Gastgebern im Pappelwald. Über Florac ging es zunächst noch kurvig und bergig über die N106 nach Alès, dann folgte das in diesem Abschnitt eher langweilige (und windige) Rhonetal. Nach Nyons begannen aber wieder die Kurven, die Ausläufer der Alpen waren erreicht und über Gap gelangten wir an unser eigentliches Tagesziel: Den Lac de Serre-Ponçon. In Savines-le-Lac gönnten wir uns einen Kaffee und beschlossen, noch den Col d’Izoard unter die Räder zu nehmen. Nach 18:00 Uhr hatten wir die Passstraße fast für uns alleine. Die Fahrt durch die „Casse Déserte“ mit ihren Geröllhalden und Felsnadeln ist immer wieder ein besonderes Erlebnis – egal ob zum ersten Mal (wie bei meinem Sohn) oder aber auch zum x-ten Mal (wie in meinem Fall).

In Cervières, kurz vor Briancon an der Nordrampe des Izoard, war es dann genug für diesen Tag und wir quartierten uns im Hotel „Le Petit Cerf“ ein. Das Abendessen genossen wir gemeinsam mit Mark: Australischer Anwalt in Rente, auf Europatour mit einer XR. Man kann sich denken, dass es da genügend Gesprächsstoff gab…

Während (zumindest für mich) dann am nächsten Tag die Strecke durch Briancon, über Col du Lautaret, Col du Galibier und Col du Telegraphe schon fast wie Hausstrecke anmutete, erlebte Filius sie mit großer Freude zum ersten Mal. Die kleinen Pässe Col du Grand Cucheron, Col du Champ Laurent und Col du Frêne, die wir danach auf dem weiteren Weg ins Jura passierten, waren dann aber auch für mich neu und sind eine absolute Empfehlung, wenn man die Hauptstrecken über Aix-les-Bains oder Annecy umgehen will. Die Rhone überquerten wir über die Staumauer der Barrage de Génissiat, und über Saint-Claude war das Tagesziel, Pontarlier, dann bald erreicht. Via Buchungsapp landeten wir schließlich im ca. 30 km nordöstlich gelegenen Morteau im Hotel Espace Morteau. Ein Haus mit dem Charme einer in die Jahre gekommenen Jugendherberge, aber sauberen und renovierten Zimmern.

Die Route vom Jura durch die Vogesen nach Kassel führt mehr oder weniger zwangsläufig durch den Pfälzer Wald, und so war klar, dass wir auch Mäcks einen Besuch abstatten wollten. Wir verabredeten uns mit ihm in Phalsbourg, das wir über diverse Vogesenpässe erreichen wollten. Die vielen Kilometer der letzten Tage forderten aber so langsam ihren Tribut, in und um Géradmer und Saint-Dié-des-Vosges herrschte viel Verkehr, und wir kamen etwas langsamer voran als geplant. Um unsere Verabredung einhalten zu können, verzichteten wir auf die letzten Schlenker über den Donon und fuhren von Saint-Dié relativ direkt nach Saarebourg und weiter auf der zweispurig ausgebauten N4 nach Phalsbourg. Nach einem Kaffee dort legten wir dann die letzten 100 km des Tages über La Petite-Pierre und Bitche bis Waldfischbach gemeinsam mit Mäcks zurück. Den Abend verbrachten wir mit dem Betrachten von Bildern vergangener gemeinsamer Touren und dem Austausch der entsprechenden Anekdoten. Zum Abschluss dieser sehr intensiven Frankreichtour ging es dann am letzten Tag am Johanniskreuz vorbei, durch die Weinberge der Rheinhessischen Schweiz, den Taunus und den Kellerwald ins heimatliche Nordhessen, wobei wir – von der Umfahrung Gießens abgesehen – unserem Plan der Autobahnvermeidung auch auf dieser letzten Etappe treu blieben. Und am Ende war uns auch der Wettergott noch wohlgesonnen: Der Regen begann erst kurz nachdem wir das Garagentor geschlossen hatten…

4 Comments

    1. Vielen Dank! Zum Nachfahren würde ich aber tatsächlich etwas mehr Zeit empfehlen! Von den Tagestouren in den Cevennen abgesehen, waren die Etappen doch recht lang und am Ende anstrengend.

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