„Wir werden in 20 Jahren nur noch mit Sondererlaubnis selbständig Auto fahren dürfen“. Das sagte Ex-Kanzlerin Angela Merkel 2017, und freute sich, voller Euphorie über die Fortschritte des autonomen Fahrens, anscheinend regelrecht darauf. Mir lief es dabei schon damals eiskalt den Rücken herunter, aber ich war nicht in der Lage, meine tiefe Abscheu gegenüber dieser Zukunftsvision in wohlgesetzte Worte zu fassen. Das hat dafür Matthew B. Crawford getan, promovierter Philosoph und gelernter Motorradmechaniker – eine Kombination, die schon sein Buch „Ich schraube, also bin ich“ so lesenswert gemacht hat. Mit „Philosophie des Fahrens“ hat er es nun geschafft, das tiefe Unbehagen, das nicht nur viele Motorradfahrer bei dem Gedanken an selbstfahrende Fahrzeuge überkommt, in eine philosophische Analyse zu gießen, die m.E. zur Pflichtlektüre für alle Verkehrsplaner und sonstigen Propheten der autonomen Automobilität werden sollte. Den besten Eindruck verschafft vermutlich der Klappentext des Buches:
„Es macht einen entscheidenden Unterschied, selbst am Steuer eines Autos zu sitzen und damit wenigstens einen Bereich seines Lebens zu kontrollieren, anstatt nur passiver Passagier eines computergesteuerten Systems zu sein. Der Fahrersitz ist einer der wenigen verbleibenden Orte, wo manuelle Geschicklichkeit, der Drang nach Erkundung und das Gefühl von Freiheit eine reale Rolle spielen. Das eigenständige Fahren ist das letzte Refugium der Selbstbestimmung gegenüber der Gängelung und Nivellierung durch wuchernde Bürokratie, Normierungswut und Überwachungskapitalismus, aber auch ein Ort der spontanen, menschlich geregelten Verständigung zwischen Individuen – und dadurch ein wesentlicher Bestandteil unserer Demokratie.“
Matthew B. Crawford, Philosophie des Fahrens. Warum wir gern am Steuer sitzen und was das mit Freiheit zu tun hat. Berlin, Ullstein-Verlag, 2022. ISBN: 978-3-550-05054-1