Kradventure Probefahrt: BMW R1300GS

Ich hatte sie ja alle. Von der R80G/S bis zur 1250er. Wenn nicht selbst besessen, dann zumindest für eine Probefahrt. Also war klar, dass ich auch die neue R1300GS ausprobieren wollte. Schon kurz, nachdem ich bei der BMW-Niederlassung losgefahren bin, bin ich allerdings schon das erste Mal genervt: Die Heizgriffe laufen volle Pulle und grillen meine Finger, aber einen Schalter dafür suche ich unter den vielen Knöpfen und Knöpfchen, die zur Verfügung stehen, vergebens. Man muss sich durchs Menu des TFT-Displays klicken und abwechselnd mit Drehrad und Wippschalter navigieren, bis man die Griff-Heizung auf „Off” hat. Oder war das jetzt die Sitzheizung? Ich muss letztlich extra anhalten für das Procedere (ist mir im dichten Stadtverkehr sonst zu gefährlich) und ich stelle zum wiederholten Mal für mich persönlich fest: Diese digitale Steuerung einfacher Funktionen über ein Menu lenkt den Fahrer deutlich mehr ab als z.B. der einfache zweistufige Schalter für die Griffheizung an meiner TÜ. Aber das hatten ja auch schon die Vorgänger, ist heute wohl Standard und nicht 1300er-spezifisch.

Also zum Fahren: Ganz kurz geht es auf die Autobahn, aber bevor ich die Höchstgeschwindigkeit erreichen kann, kommt schon eine Baustelle. Also nix wie runter von der Bahn, dorthin, wo ein Motorrad wie die GS hin gehört: Auf die Landstraße. Die willkommene Verbindung von Kurven und wenig Verkehr bietet die Sackgasse nach Speele – einmal runter, einmal rauf. Schräglagenrekorde will ich bei frischen 7 Grad Lufttemperatur nicht riskieren (max. 40 Grad zeigt mir das Display später), aber die wohlbekannte Strecke bestätigt trotzdem, was ich auch schon für die 1200LC und die 1250er festgestellt hatte: Obwohl wahrlich nicht unhandlich, kommen die „neuen” GS-Modelle nicht ganz an die spielerische Handlichkeit der Luftgekühlten 1200er heran. Ob es am Mehrgewicht, den anderen Reifendimensionen oder den mehr auf Stabilität ausgelegten Fahrwerken – oder einer Kombination aus allem – liegt, vermag ich nicht zu sagen. Erschwerend für einen objektiven Vergleich kommt noch dazu, dass meine „Lufti” mit dem für seine Agilität fast schon berühmten Conti Trail Attack 3 besohlt ist, die Probe-1300er läuft auf Metzeler Tourance Next 2.

Nachdem ich auf der Strecke über Hedemünden nach Kleinalmerode so langsam etwas vertrauter mit dem neuen Mopped geworden bin, ist es Zeit, vom Road-Modus in den Dynamic-Pro-Modus zu wechseln und so die Strecke über den Umschwang in Angriff zu nehmen. Tja, was soll man sagen: Der Motor hat Druck. Mächtig Druck, keine Frage. Spaßfaktor extrem hoch. Aber irgendwie dabei auch beinah turbinenhaft. Ist das wirklich noch ein Zweizylinder-Boxer? Fühlt sich für mich irgendwie nicht so recht danach an. Das, was die Motorradpresse ja vielfach über den letzten luftgekühlten Motor schrieb – „kernig”, „Charakter” – das vermisse ich ein wenig beim 1300er. Ist aber natürlich Geschmacksache. Wie auch die Optik. Ich werde nicht warm mit diesem Rahmen. Nennt mich altmodisch, oder ewig gestrig, aber zu einer Reiseenduro gehört für meinen Geschmack ein Gitterrohrrahmen. Und die Front mit diesem Radar-Klotz und dem X-Scheinwerfer ist schon auch sehr gewöhnungsbedürftig. Um aber mit etwas positivem zu enden: Absolut ohne Tadel arbeiten die Bremsen. Hammer! Da merkt man doch einen deutlichen Unterschied zu den Stoppern an der TÜ (die ja nun auch nicht wirklich schlecht sind).

Mein Fazit: Die 1300er GS ist sicher ein tolles Motorrad auf technologischem Top-Niveau, dessen Potential ich auf 100 km Probefahrt sicher nicht ansatzweise ausschöpfen konnte. Aber mich persönlich (!) „packt” sie irgendwie nicht. Anders als damals, auf der ersten Probefahrt mit der ersten luftgekühlten 1200GS, hatte ich nicht dieses „will-ich-unbedingt-haben”-Gefühl. Was aber ja zumindest für den Geldbeutel eine positive Nachricht ist.

4 Comments

  1. Schneller, höher, weiter, teurer, ist das wirklich nötig ?. Ich meine nein. Wie heißt es : Never change a winning Team. Meine R 1200 R Classic mit Doppelnocke und 110 PS ist mehr als ausreichend, hat genug Leistung und wiegt nicht ganz so viel. Also, warum soll ich 27.000 € in die Hand nehmen ?. Nur um mit einem Massenprodukt durch die Gegend zu fahren ? Nö, nicht mit mir.

  2. Schöner subjektiver Test. Meine persönliche kleine Ergänzung wäre die Kritik am Blinkerschalter: Auch in diesem Punkt war die TÜ den Nachfolgemodellen Technisch Überlegen. Vom Kardantausch alle 80tkm auf eigene Kosten will ich gar nicht reden.

  3. Schöner Bericht.
    Vorab, ich bin 42 Jahre nur Ducati oder Motorräder mit Ducati Motor gefahren ( außer im Geländesport ).
    Im Dezember Multistrada V4, R1300 GS und R1250 ADV GS probe gefahren. Unabhängig vom Preis habe ich mich für die 1250 er entschieden. Ein absolut gelungenes Motorrad trotz des exorbitanten Gewichts ( bin ich von Ducati nicht gewohnt ).
    Wie im Bericht Kradventure beschrieben….. es muß nicht immer mehr, weiter, höher, usw. sein
    Gruß Peter

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert